Einen wunderschönen Tag der Gehmeditation an den grünen Auen der Ammer durften wir heute erleben. Hier ein paar Eindrücke davon:
Etwas reduziert von dem gestrigen überlangen Viertelfinale trafen sich heute zehn Freund*innen am Bahnhof Herrsching. Unser song „We’re all moving on a journey to nowhere“ oder auf Deutsch „Wir sind alle auf ’ner Reise nach Nirgendwo“ stimmte uns auf den Tag ein.
Ein kurzer Transfer zum Parkplatz an der Ammer und Thomas gab eine kurze Einführung zur Gehmeditation: Er betonte, dass Gehmeditation nicht einfach nur achtsames Gehen sei! Sondern vielmehr, dass wir hier auch das „stopping“, das Anhalten und Beruhigen der sonst immer aktiven Gedankenspiralen, praktizieren könnten.
Wir umrundeten die Ammer im Uhrzeigersinn, wie es auch die Pilger in Indien an der Narmada tun. Nur wollten wir uns nicht ein ganzes Jahr Zeit nehmen, darum nutzten wir schon die erste Brücke um an das andere Ufer zu gelangen. Wenn das nur auch in unserer Praxis so leicht wäre! ;-)
Während beim Weg vom Parkplatz bis zur Brücke der Blick weit bis in die Alpen schweifen konnte, verkleinerte sich nun das Blickfeld, und bei manchem kehrte sich der Blick nun nach innen. Das ist der Beginn des „tiefen Schauens“, der zweite Bestandteil der Meditation wie es Thay lehrt.
Mitten im hohen Gras legten wir eine erste kleine Rast ein, mit Blick auf die flott dahinströmende, von den gestrigen Regenfällen braun gefärbte Ammer.
Weiter gings mit allerlei Begegnungen mit wildlebenden Tieren, etwas kleines behaartes, Reihern, Störchen, Mäusebussarden und bunten, oft violetten Blüten und allerlei Wildkräutern. Für meine Kniebeschwerden nahm ich dankbar die Gaben der Natur in Form von Schafsgarbe an. Diese schmeckt recht lecker (für den der Wildkräuter mag) und hilft augenblicklich gegen meine Kniebeschwerden.
Die Mittagspause zelebrierten wir – ganz stilecht mit Essensspruch und Glocke – an einer stetig rauschenden Stromschnelle im Schatten des Auwaldes.
So gestärkt holten wir die Kissen und eine Kunststoffplane aus den Autos und bauten, wie schon vor 3 Jahren, unser Freiluftzendo neben einer Baumreihe auf. Wir begannen unser mantriches Singen mit dem Indianerlied das bei keiner Gehmeditation am Fluss fehlen darf: „The river is flowing…“ Heute auch, wie in Waldbröl üblich, mit einer zweiten Strophe: „The moon she is waiting, waxing and waining, for us to be free“.
Natürlich durfte auch Pete Segers Umweltsong nicht fehlen: „One blue sky above us„. Ein Lied aus den Sechzigern, aber immer noch brandaktuell! Auch Thay setzt sich für den Schutz unser Mutter Erde ein, wie man auch z. B. in seinen Büchern „Die Welt ins Herz schließen“ oder „Liebensbrief an die Erde“ erkennen kann.
Noch mehr Lieder über Freiheit: „Letting go gives us freedom“ und „Frei sein, wo immer wir sind„. Die beiden Songs basieren auf Vorträgen von Thay, der hier mit Freiheit nicht die äußere, politische Freiheit meint, sondern „frei sein von Ärger, Angst und Verzweiflung“. Thays Vortrag in einem Gefängnis in den USA gibt es auch als Buch: Frei sein, wo immer du bist.
Ein song von Jan, einem Dharmalehrer und Mitglied des Intersein-Ordens: „Ev’ry Moment of this day is a treasure“ brachte uns zu einer kleinen Diskussion über das „ich“. Oft meint man, die buddhistische Praxis bestehe darin, sein „ich“ aufzulösen. Doch ist das „ich“ in psychologischen Sinne sehr wichtig für eine gesunde Psyche! Und Buddha verwendete auch den Begriff „An-Atman“, was man mit Nicht-Seele übersetzen kann. D.h. Buddha hat herausgefunden, dass das „ich“ nichts Unveränderliches und Unabhängiges ist, sondern dass es von vielen Dingen abhängig ist, den Vorfahren, der „Umwelt“, und sich auch im Laufe der Zeit verändert.
In Anbetracht der vielen Konflikte auf dieser Welt sangen wir noch „Mögen wir lernen zu lieben. Mögen wir lernen glücklich zu sein. Mögen wir in Frieden leben, zusammen und nicht mehr allein“ von Klaus Nagel. Dieses Lied drückt sehr schön aus, was an einem Tag der Gehmeditation so besonders ist: Wir erleben die Natur, kultivieren einen friedvollen Geist, aber nicht allein, sondern gestützt von einer Gemeinschaft.
Nach einer kurzen Pause für einen kurzen Besuch der „Büsche“ war es Zeit für eine Gesprächsrunde, die auch ein wichtiger Bestandteil der Plum Village Praxis ist. Das vertrauliche Teilen und achtsame Zuhören ohne zu Bewerten oder zu Kommentieren ist immer sehr nährend und bereichernd.
Ein wunderschöner kleiner Pilgertag neigt sich dem Ende zu, Deutschland steht im Halbfinale, was will man mehr? ;-)