Anhalten
Ich bin angekommen,
Ich bin zu Hause
Ich bin im Hier,
Ich bin im Jetzt
Ich bin gefestigt,
Ich bin frei
Im Buddha-Land verweile ich
Unsere erste Übung ist die Konzentration auf das Meditationsobjekt des „Zu sich nach Hause Gehens“. Sie begleitet mich seit vielen Jahren. Die folgenden vier Stufen vergegenwärtige ich mir mehrmals am Tag. Sie sind das Konzentrat meiner Bemühungen, mit oft schwierigen Alltagssituationen umzugehen und erneut zum bewussten Atmen zu finden.
Ich bin angekommen,
Ich bin zu Hause
Es ist wunderbar immer wieder neu zu entdecken, was es bedeutet, schon angekommen zu sein, das ständige Suchen und Umherjagen endlich aufzugeben – nicht mehr in der Angst leben zu müssen, etwas Wichtiges zu versäumen oder erwerben zu müssen – zu erkennen, daß es darum geht, freizusetzen und nicht weiterhin außerhalb von uns zu suchen und durch Stille, Konzentration und Achtsamkeit sich dem anzunähern, was seit anfanglosen Zeiten unsere eigene unverlierbare, unzerstörbare, tiefste Natur ausmacht.
Wir können uns vorstellen, wir seien ein Haus mit fünf Fenstern und einer Tür (d.h. den sechs Sinnesorganen und den dazugehörenden Bewußtseinsarten), die es zu schließen gilt, wenn der Sturm durch die offenen Fenster und Türen braust, die dann überall verstreuten Papiere (unsere Gedanken und Empfindungen) zu ordnen und ein Kaminfeuer anzumachen, sein Licht und die Wärme zu genießen und die Geborgenheit mit starker Intensität zu fühlen.
Dieses Bild und die damit verbundenen Gefühle, die Freude, mein Lächeln rasch, gerade in schwierigen Situationen des Alltags entstehen lassen zu können, ist ein wichtiges Ergebnis der meditativen Übung. Ich kann mir erlauben, mit einem Schritt aus einer kritischen Lage herauszutreten, zu meinem bewußten Atem zurückzukehren und für ein paar Momente „nach Hause zu gehen“. Dadurch lerne ich immer öfter, bei mir und nicht außer mir zu sein.
Wir haben unser Zuhause in Meditationsseminaren gemalt, um unser Gefühl, unsere Schauung im Bild auszudrücken und um zu entdecken, was es bedeutet, tief zu empfinden, bei sich daheim zu sein, nicht mehr abhängig von äußeren Umständen, bestimmten Menschen und schwierigen Situationen.
Ich bin im Hier
Ich bin im Jetzt
In dieser Phase üben wir völlige Gegenwärtigkeit und Präsenz: jeden Gedanken, jedes Gefühl, zu erkennen, jede Bewegung bewußt auszuführen und somit wirklich gegenwärtig zu sein. Wir erleben dabei mit großer Dankbarkeit, wie unser Da -Sein eine ganz neue und intensive Qualität bekommt und unser Leben in seiner ganzen Fülle berührt.
Ich bin gefestigt,
Ich bin frei
Nun erfahre ich, indem mein Atem bewußt in den Bauchraum, den Stamm (hara) meines Lebensbaumes geführt wird, jene tiefe Gelassenheit, Festigkeit und Stabilität, die meine Unruhe, Rastlosigkeit und die damit verbundenen Sorgen und Ängste allmählich verwandelt.
Dazu tritt der Aspekt der Freiheit, nämlich ein Freisein von Erinnerungen und belastenden Gefühlen aus Vergangenem sowie sorgenvollen und angstvollen Erwartungen auf Zukünftiges. Diese Freiheit, vom gegenwärtigen Moment ganz erfüllt zu sein, unbelastet von dem, was war und sein wird, bringt mir Zuversicht, die mit großer Freude und tiefer Dankbarkeit verbunden ist. Die Meditationsübung „Einatmend wird mir der gegenwärtige Augenblick bewusst, ausatmend erlebe ich ihn als einen wunderbaren Moment“ ermöglicht mir die lebendige, konkrete Wirklichkeit zu vergegenwärtigen und mein Leben intensiv zu berühren.
Im Buddha-Land verweile ich
Selbst dieser Schritt, auf dem Meditationskissen oft geübt, kann im Alltag nachvollzogen werden. Die Erkenntnis, daß wir nicht nur Welle sind, sondern auch die Fähigkeit haben, das Wasser „des Ozeans des Lebens“ in uns zu berühren, wird uns häufiger und tiefer die vier „Unermesslichen Geisteszustände“ oder „Göttlichen Verweilungen“ (brahmaviharas) – jene Kultur des Herzens, die uns Buddha mehrmals empfohlen hat – bewußt werden lassen.
Sie werden durch kontinuierliches Üben unser Denken, Reden und Handeln im Umgang mit Menschen und Situationen immer mehr leiten. Diese Qualitäten sind die der liebevollen Güte zu allem was existiert, des Mitgefühls also unserer Fähigkeit Leiden lindern zu helfen, der Freude und Mitfreude sowie des Gleichmuts, der parteilosen Zuwendung zu allen Wesen. Gleichmut schließt das Akzeptieren des „So-Seins“ von Menschen, Situationen und Gefühlen ebenso ein, wie das Loslassen all dessen, woran wir anhaften, klammern und festhalten wollen. Die vier Eigenschaften, verbunden mit der Energie der Achtsamkeit, werden somit allmählich Teil unseres Wesens auf dem Weg zur Befreiung.
Gehmeditation
Unser Geist kann in tausend Richtungen gehen.
Aber auf diesem wunderschönen Weg geh ich in Frieden.
Bei jedem Schritt weht eine sanfte Brise.
Bei jedem Schritt erblüht eine Blume.
Dies ist eine der schönsten Meditationsübungen. Täglich nur wenige Minuten bewußtes „Gehen um zu gehen, nicht um anzukommen“, ob auf dem Bahnhof, der Bushaltestelle, vom Büro nach Hause oder im eigenen Garten, lassen uns gelassener und friedvoller werden. Unser Geist wird freier und klarer; ein Strom ruhiger und doch kraftvoller Energie entsteht in uns. Besonders wenn wir ärgerlich, nervös, zu erregt sind und die Meditation auf dem Kissen sehr schwierig wird, ist diese Übung von großem Wert.
Die ganze Mitwelt bietet uns belebende Frische als Nahrung an, wenn wir friedvoll als ein freier Mensch, im Hier und Jetzt verweilend, mit allem was uns umgibt verbunden sind. Wir sollten während des Gehens von Zeit zu Zeit anhalten, um sehr bewußt den Himmel, die Wolken, die Landschaft, Menschen, Tiere und Pflanzen wahrzunehmen und uns mit ihnen zu verbinden. Auch in Konfliktsituationen hat sich gemeinsames Gehen mit der oder dem oder den Personen, die und Probleme bereiten und dabei den Atem mit der Bewegung zu koordinieren, bewährt.
Gehmeditation ist wie die Übung im Sitzen heilend, klärt den Geist und dient der Läuterung und Transformation.
Glocke der Achtsamkeit
Horch, horch!
Dieser wunderbare Klang
bringt mich zurück
zu meinem wahren Selbst.
Die Achtsamkeitsglocke ist die Stimme Buddhas, eines erwachten, vollendeten Menschens, die uns zu uns selbst zurückruft. Wenn wir sie hören, atmen wir sehr bewußt drei bis vier mal und kehren in das „Hier und Jetzt“ zurück.
Wir hören wieder den Wind, den Gesang der Vögel und alle Alltagsgeräusche, sehen Farben und Formen intensiver, lassen uns neu mit einer friedvolleren und entspannteren Haltung auf die jeweilige Situation ein. Auch Kirchenglocken, Polizeisirenen und viele andere Geräusche wie zum Beispiel das Telefonläuten, die unsere Aufmerksamkeit erregen, können wir zur Glocke der Achtsamkeit erklären.
Eine Uhr auf meinem Schreibtisch erinnert mich alle Viertelstunden mit Glockentönen daran zum bewussten Atmen zurückzukehren. Das Telefon dreimal läuten lassen gehört zu meiner sehr wirkungsvollen Übung. Ich atme in dieser Zeit, um dann achtsam und freundlich mit meinem Gesprächspartner (ob Freund oder unangenehmer Zeitgenosse) in Kontakt zu treten. Lächelnd und entspannt den Hörer abzunehmen ist eine wunderbare Übung, jederzeit gut bei sich zu bleiben.
Gerade während schwieriger Situationen im familiären, beruflichen oder gesellschaftlichen Umfeld hat sich die Glocke der Achtsamkeit und das „zu sich nach Hause gehen“ und bewusst zu atmen ausserordentlich bewährt. So oft wie möglich bei sich zu Hause und nicht „ausser sich“ zu sein ist das Ergebnis dieser Praxis. Sie ermöglicht uns, die achtsame Präsenz weitgehend zu bewahren.
Büchlein der Freude
Eigene Freuden –
entdecken und notieren
Ich führe ein „Büchlein der Freude“, in dem ich alle, auch ganz kleine Alltagsfreuden, beginnend am Morgen mit der Feststellung „Es ist schön, daß es mich gibt und ich am Leben bin“ vermerke. Viele meiner Freunde in der Münchner Sangha führen solche Hefte und uns allen helfen diese Aufzeichnungen sehr, bewußter die Freuden des Alltags zu genießen und uns daran auch in schwierigen, scheinbar freudlosen Zeiten zu erinnern. Diese Hefte können dann helfen, diese Freuden erneut zu vergegenwärtigen, die Samen der Freude in uns zu kultivieren und neue zu pflanzen, damit alle kräftig und lebendig unseren Alltag bereichern.
Sich Freude bewußt zu machen ist die beste Nahrung für unser Wohlbefinden und unsere Stabilität. Freude und Mitfreude sind eine der vier Qualitäten unserer „Kultur des Herzens“. Eine solche Haltung ist nicht nur die Grundlage für unsere heitere Gelassenheit, sondern auch ein Geschenk für alle Menschen, die mit uns in Kontakt kommen.